Verwobene Texturen. Zeitgenössische Textilkunst aus Deutschland und Ungarn

Datum: 11 Mai - 14 Juli
Ort:  Collegium Hungaricum Berlin
Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin

Am 8. und 9. Juni (Donnerstag und Freitag) bleibt die Ausstellung geschlossen. Vielen Dank für Ihr Verständnis. 

Die Textilkunst gilt seit Jahrtausenden als eines der grundlegendsten Mittel des ästhetischen Selbstausdrucks, dennoch wurde sie von den westlichen Kunsttheoretikern lange stiefmütterlich behandelt.

Liliths Erbe: Zusammengenäht, 2022; Leinwand, Kohle, Schnur, Garn, Perlen (Ausschnitt) | Foto: Dávid Tóth

Liliths Erbe: Zusammengenäht, 2022; Leinwand, Kohle, Schnur, Garn, Perlen (Ausschnitt) | Foto: Dávid Tóth

Bis zum Ende des Mittelalters waren die Fabrikanten von Statussymbolen – etwa teuren Webarbeiten oder Gobelins mit mythisch-historischen Szenen – ähnlich hochgeschätzt wie Buchmaler und Steinmetze. Die Trennung von Kunst und Handwerk erfolgte im 18. Jahrhundert, wobei die Textilkunst den typisch weiblichen Handarbeiten zugeordnet wurde. Danach galt sie jahrhundertelang als praktisches Handwerk oder als Zeitvertreib gelangweilter Damen. 

Emese Kádár: Zersplitterung, 2021; Handgewebe | Foto: Lars Lund

Emese Kádár: Zersplitterung, 2021; Handgewebe | Foto: Lars Lund

Zwar entstanden ab dem späten 19. Jahrhundert etwa im Rahmen der englischen „arts and crafts“-Bewegung oder im deutschen Bauhaus bedeutende moderne Textilarbeiten, sie basierten aber weiterhin auf der Handarbeit und dienten der Wohnungsausstattung. Frauenrechtsaktivistinnen der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts schrieben sich die Textilkunst auf die Fahne. Gleichzeitig begann die Rehabilitation des textilen Materials, das dank Künstlerinnen wie Judy Chicago, Linda Nochlin oder Miriam Schapiro allmählich als „hohes“ Kunstmedium akzeptiert wurde. Parallel dazu genossen die Textilkünstlerinnen auf der östlichen Seite des Eisernen Vorhangs gerade durch den niedrigeren Status der Textilkunst größere künstlerische Freiheiten. So konnten beispielsweise unkonventionelle und ideenreiche Arbeiten von Künstlerinnen wie Marielies Riebesel oder Ilona Lovas entstehen.

Heute ist die Textilkunst zwischen Kunsthandwerk und Bildender Kunst angesiedelt, bildet eine Brücke zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit, und gilt als künstlerische Repräsentation maskuliner oder femininer Identität. Textilarbeiten lassen sich gleichzeitig als Gegenpol exponentiell wachsender digitalen Informationsströme betrachten: die traditionellen manuellen Verfahren (Weben, Nähen, Sticken) verlangen schließlich Geduld, Entschleunigung und Konzentration – lauter Fähigkeiten, die heutzutage fast ungewöhnlich, fast archaisch erscheinen.

Zwischen diesen Gegensatzpaaren balancierend loten die ausgestellten Werke die Zukunft der Textilkunst und ihre Möglichkeiten in der Bildenden Kunst aus.

Mit Werken von Annamária Gáspár, Emese Kádár, Adrián Kiss, Liliths Erbe, Karina Mendreczky, Péter Puklus, Brent Wadden, Raul Walch, Anikó Süttő

Kuratiert von Zsuzska Petró

Leihgeber: Galerie EIGEN+ART (DE), Glassyard Galerie (HUN), Dr. Péter Kacsuk (HUN), Peres Projects (DE)