Regresso | Das Kind in uns

Datum: 13 September - 21 Oktober
Ort:  Collegium Hungaricum Berlin
Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin

Die Gruppenausstellung untersucht anhand von Arbeiten ungarischer und deutscher Künstler·innen besondere Erscheinungsformen nostalgischer Sehnsucht nach der Kindheit in der zeitgenössischen Kunst sowie in der Psyche unserer Gesellschaft. 

Patrick Tayler: „Wer hat Angst vor Hellrosa, niedlichen Teddybären und Petit Fours?”, 2021, Öl auf Leinwand, 120 × 145 cm | Foto mit  freundlicher Genehmigung des Künstlers

Patrick Tayler: „Wer hat Angst vor Hellrosa, niedlichen Teddybären und Petit Fours?”, 2021, Öl auf Leinwand, 120 × 145 cm | Foto mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Sei es der Alltagstrott moderner Gesellschaften, die bedrückenden Ereignisse der Welt um uns herum, die Pandemie oder die Klimakatastrophe – diese und andere Phänomene lösen bei vielen jungen Menschen ernsthafte Angstsymptome aus. Als Reaktion darauf flüchten sich manche in Ersatzhandlungen oder verfallen schädlichen Leidenschaften, andere finden sie Asyl in ihren Kindheitserinnerungen. Mit anderen Worten: sie fallen auf ein früheres Entwicklungsstadium zurück, also regredieren.

Der Begriff „Regression“ wurde von Sigmund Freud in die Psychoanalyse eingeführt, seine Tochter Anna erforschte das Phänomen auf dem Gebiet der Kinderpsychologie. Heute wird Regression als ein Schutzmechanismus betrachtet, der uns hilft, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten, indem wir auf Verhaltensmuster aus früheren Abschnitten unseres Lebens zurückgreifen. Die Flucht in die Kindheit weckt die Illusion von Unschuld und Sicherheit und macht es leichter, komplexe Herausforderungen des Erwachsenenlebens zu bewältigen. Sie kann helfen, die Gegenwart bewusster zu erleben. Das so hervorgerufene kindliche Bewusstsein ist geprägt vom Versunkensein in den Augenblick und vom selbstvergessenen Spiel.

Katalin Kortmann Járay: "Schierling", 2021, zahnärtzlicher Gips, Acryl, Emailfarbe, Fimo, 45 × 15 × 10 cm | Foto mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Katalin Kortmann Járay: "Schierling", 2021, zahnärtzlicher Gips, Acryl, Emailfarbe, Fimo, 45 × 15 × 10 cm | Foto mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Die abwechslungsreichen Exponate der Ausstellung lassen die Welt der Teddybären, Spielsachen, bunten Lutscher und Feenmärchen, aber auch einstiger Albträume aufleben und nehmen uns auf nostalgische Reisen mit. Sie laden dazu ein, Abstand von unserem Alltag zu nehmen und den Augenblick mit kindlicher Freude zu erleben.

Péter Gallov: "ZuZuFu", 2020, Graphit, Papier, 35 × 42 cm | Foto: Digitális Képműhely

Péter Gallov: "ZuZuFu", 2020, Graphit, Papier, 35 × 42 cm | Foto: Digitális Képműhely

Die künstlerischen Positionen

Mátyás Erményi (HU) ist durch die Neuinterpretation animierter Zeichentrickfilme zu seinen antropomorphen Baumdarstellungen gelangt. Die Gemälde von Christian Fichtl (DE) suggerieren Unschuld und spiegeln die Sehnsucht des jungen Künstlers wider, der rauen Wirklichkeit zu entfliehen. Péter Gallov (HU) erschafft in seinen Zeichnungen eine fiktive Wirklichkeit: kleine Hündchen, trübselige Pizzastücke und Ungeheuer lassen eine persönliche Mythologie entstehen. In Ludwig Hanischs (DE) Malerei verschmelzen digitale und analoge Effekte, die in die Pixelvergangenheit der Computerspiele zurückführen. Patrícia Jagicza (HU) schafft Stillleben, die die kindliche Anhänglichkeit und Bindung verkörpern. Ihre Gemälde wecken Erinnerungen an endlose Sommerferien. Anneke Kleimanns (DE) im Raum hängende, riesige Bonbonkette rufen Nostalgie und Unruhe zugleich hervor. Für ihre Installationen nach Art eines Kuriositätenkabinetts verwendet Katalin Kortmann Járay (HU) Fotos und Gegenstände, die durch persönliche und kollektive Erinnerungen auf eine kindliche Sammelleidenschaft verweisen. In den Werken von Judit Lilla Molnár (HU) werden Spielplätze und Spielsachen lebendig. Durch Reproduktion von Gesellschaftsspielen und Klettergerüsten reflektiert sie allgemeingültige gesellschaftliche Fragen. Bei Wieland Schoenfelder (DE) werden aus Märchenfilmen bekannte Figuren zu Protagonisten erschütternder menschlicher Tragödien. Stefan Rinck (DE) erschafft mit seinen grob bearbeiteten Steinskulpturen, in denen er mythische Gestalten mit kleinen Monstern kreuzt, eine alternative Mythologie. Géza Szöllősi (HU) verwandelt mit seinen in Kunstharz gegossenen, aus Körperteilen von Käfern zusammengesetzte Soldaten die Wunschgegenstände eines kleinen Jungen im Horrorwesen. Patrick Nicholas Tayler (HU) schafft traditionelle Stillleben aus üppigen Süßigkeiten und Spielsachen der 1990er Jahren, die beim Erwachsenwerden ihren Sinn verloren haben. Kata Ungers (DE) Bildteppiche scheinen den surrealen Traum eines Kleinkindes festzuhalten. Orsolya Lia Vető (HU) ruft in ihren Gemälden durch die dynamische Gesamtwirkung von Farben und Oberflächen betörende Geschmacks- und Geruchseindrücke hervor. Isa Wittmanns (DE) bunte Keramiken bieten einen Einblick in die erschreckenden Tiefen des kindlichen Unterbewusstseins. In den keramischen Arbeiten von Matthias Wurm (DE) manifestieren sich vergrößerte Eiskugeln und deformierte Eiswaffeln.

Kuratiert von Orsolya Lia Vető, Patrick Nicholas Tayler, Zsuzska Petró

Eröffnung: 13. September 2022, 19.00 Uhr

Musik: SZENDE b2b NYXA