Postsoviet Cosmopolis

Datum: 9 September - 11 September
Ort:  Collegium Hungaricum Berlin
Dorotheenstraße 12, 10117 Berlin
Die Reihe "Echo. Echo." zum 22. ilb am chb zu Gast

Die Reihe "Echo. Echo." zum 22. ilb am chb zu Gast

Special: Echo. Echo: Postsoviet Cosmopolis

Das Special »Echo. Echo: Postsoviet Cosmopolis« ist Ästhetiken und Diskursen postsowjetischer Literaturen gewidmet. Seit dem Zerfall der Sowjetunion in den frühen 1990er Jahren ist eine neue Literatur entstanden, die sich grenzüberschreitend in transnationalen Kontexten entwickelt und zugleich historisch verwurzelt ist. Welches Erbe hat die sowjetische Kultur- und Sprachpolitik hinterlassen? Wie setzt sich diese Literatur mit kapitalistischen und sozialistischen Werten auseinander? Welche Rolle spielen mehrsprachige Literaturen sowie translinguale Poetiken im Zusammenhang mit dem postsowjetischen literarischen Raum? Wie antworten Autor:innen in ihren Texten auf vergangene Herrschaftsformen, auf die Erfahrung einer gewaltvollen Besetzung und welche neuen Utopien entwerfen sie? Und wie reagieren sie jüngst auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine? Jenseits des langen Schattens eines nach wie vor präsenten Kalter Krieg-Interpretationsschemas, das die Vielgestaltigkeit postsowjetischer Kulturen unter einen Begriff zwingt, sucht ein neuer postsowjetischer Kosmopolitismus nach anderen Erzählungen. Er findet Gemeinschaft zwischen den Sprachen und Freiheit in neuen politischen Ordnungen.

Die Reihe »Echo. Echo« ist eine Kooperation zwischen dem Exzellenzcluster »Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective« der Freien Universität Berlin und dem internationalen literaturfestival berlin (ilb). Alle Veranstaltungen der Reihe, bis auf die Poetry Night (10.9., 20 Uhr, Haus der Berliner Festspiele), finden am CHB statt.

PROGRAMM: SPECIAL: POSTSOVIET COSMOPOLIS

09 09 2022 – fr
18:00
Moderation: Natascha Freundel
[Livestream]
Deutsch/ german

YEVGENIA BELORUSETS UA/ D: Anfang des Krieges. Tagebücher aus Kiew

Die Fotografin und Schriftstellerin erlebte den russischen Angriff auf die Ukraine vom Beginn bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland Anfang April 2022 mit. Tagsüber streifte sie durch die Straßen von Kiew und dokumentierte in einem Tagebuch und in Fotos den Alltag der Menschen – dabei verweigert sie bewusst eine polarisierende Kriegssprache. »Als ich dieses Tagebuch begann, war ich überzeugt davon, dass ich es nur einige Tage lang führen würde. Experten vermuten, dass der Krieg noch Jahre dauern kann. Jeder Tag dieses Kriegs ist einer zu viel.« [SPIEGEL]

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09 09 2022 – fr
20:00
Moderation: Kateryna Mishchenko
Deutsch/ german

Postsoviet Cosmopolis: Eröffnungspanel mit YEVGENIA BELORUSETS UKR/ D, SUSANNE FRANK D, LJUBOU KASPJAROWITSCH BELARUS/ D

Was heißt es, vom ›Postsowjetischen‹ zu sprechen? Und wie entkommt eine junge Generation dem Echo vorangegangener Geschichten? Die Arbeiten der multidisziplinär und kollektiv arbeitenden Autorin Yevgenia Belorusets nehmen die eigene und fremde Sprache zum Ausgangspunkt einer Reflexion der eigenen Lebensform. Zum Auftakt der Reihe tauscht sich Belorusets mit Susanne Frank, Professorin für ostslawische Literaturen und Kulturen an der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie der Journalistin Ljubou Kaspjarowitsch aus. Wie kann Literatur Zeugnis ablegen von Prozessen der Identitätsbildung im Spannungsfeld des sowjetischen Imperialismus und westlicher kapitalistischer Ideologie?

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10 09 2022 – sa
16:00
Moderation: Zaal Andronikashvili
Russisch, Deutsch/ russian, german

Russia – Toxic Homeland. Mit SERGEJ LEBEDEW RUS/ D und BORIS AKUNIN GEORGIEN/ RUS/ GB

Könnte das System Putin [bereits Thema des ilb 2005] ohne Propaganda und Angst bestehen? Von Wespenstichen, an denen Geheimagenten sterben, und der Jagd nach einem todbringenden Chemiker erzählt Sergej Lebedews Roman »Das perfekte Gift«. Mit dem Schriftsteller Boris Akunin, der für seine Kriminalromane in Russland große Popularität genießt und nach seinem politischen Engagement in den 2010er Jahre im Londoner Exil lebt, spricht er über Narrative toxischer Heimat und Akunins aus Solidarität mit der Ukraine entstandenes Projekt ›True Russia‹.

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11 09 2022 – so
16:00
Moderation: Tuesday Bhambry
Englisch, Deutsch/ english, german

Constructing Postsoviet Childhood
Mit VOLHA HAPEYEVA BELARUS/ D und LEA YPI ALBANIEN/ GB [live zugeschaltet]

Der erste Roman »Camel Travel« der bekannten belarussischen Lyrikerin handelt von einer Kindheit und Jugend in der Endphase der Sowjetunion. Die Protagonistin wächst in einer politischen Umbruchphase auf, in der auch der Alltag nur mit Erfindungsgabe und Improvisationstalent gemeistert werden kann. »Hapeyeva ist eine grenzenaufweichende Wortzauberin, was man auch diesem Buch anmerkt, in dem Wort, Ton, Rhythmus und die genauen Beobachtungen eine abhängig machende Sogwirkung entfachen« [Der Standard].

Albanien 1989: In »Frei. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte« erzählt die Politikwissenschaftlerin Lea Ypi vom Aufwachsen in einem isolierten Land. Mangelwirtschaft, Geheimpolizei und das Proletariat bestimmen das Leben. »[Es] gelingt Ypi, ihre Kindheitsgeschichte für den Leser so zu erzählen, dass er seine eigenen Erfahrungen, in denen der Autorin wiederfindet. Gleichzeitig lässt sie keinen Zweifel an den Unterschieden, am Ausmaß von Demütigung und Leid, die diese Zeit für die Albaner bedeutete.« [neues deutschland]

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11 09 2022 – so
18:00
Moderation: Sona Mnatsakanyan
Sprecher/ speaker: Paul Walther
Armenisch, Englisch/ armenian, english

Generation Independence: JĀNIS JOŅEVS LETTLAND: Jelgava 94 / ARAM PACHYAN ARMENIEN: P/ F

Jānis Joņevs landete mit seinem Debüt »Jelgava 94« über eine Jugend im Lettland der 1990er Jahre einen Bestseller. Der Coming-of-Age-Roman handelt von einem Jungen, der in der Provinzstadt Jelgava aufwächst, erst Nirvana, dann die Metal-Szene für sich entdeckt und auf Tauschbörsen für Musik-Kassetten und bei Konzerten in verlassenen Bunkern neue Freundschaften schließt. Joņevs zeichnet das Portrait einer Generation, die auf der Suche nach ihrer eigenen Identität ist und Teil einer Jugendkultur sein möchte.

Aram Pachyan macht sich mit dem experimentellen Roman »P/F« auf die Suche nach einem neuen Stil des fragmentarischen Erzählens. Das alte und das neue Jerewan, der Fluss Getar, die verschwundene Straßenbahn und ein einsamer Mann, der versucht, sich selbst in der Stadt seiner verblassenden Erinnerungen zu finden, sie alle treffen in dem Roman aufeinander. Jānis Joņevs und Aram Pachyan tauschen sich aus über das Schreiben nach der Unabhängigkeit. Beide Autoren erhielten für ihre Werke den Literaturpreis der Europäischen Union.

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11 09 2022 – so
20:00
Moderation: Eugene Ostashevsky
Englisch/ english

Speaking in Many Tongues: Translinguale Lyrik. Mit: SEMYON HANIN LETTLAND, EUGENE OSTASHEVSKY

Post-sowjetische Lyrik wird in vielen Sprachen verfasst. Wofür stehen polyphone Ästhetiken? Wie kompliziert kann das Verhältnis zwischen Sprache und Identität werden? Als russischsprachiger Dichter in Lettland und Gründungsmitglied der zweisprachigen Poesie-Performance-Gruppe Orbita arbeitet Semyon Hanin mit Russisch als einer Sprache ohne Land. Als englischsprachiger Dichter in New York [und auch Berlin] greift Eugene Ostashevsky auf die Avantgarde-Poetik des zwanzigsten Jahrhunderts zurück, um das amerikanische Englisch zu verfremden. Der Abend besteht aus einer Multimedia-Performance und einer anschließenden Diskussion.

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