Die zweite Ausgabe von translationale berlin ruft die Übersetzer:innen aus nah und fern ein weiteres Mal und in neuer Formation auf die Bühne. Mit Lyriklesungen, Konzerten, Workshops und Gesprächen, einem Übersetzungsspiel sowie einer Rauminstallation zu den drei polyphonen Städten Budapest, Minsk und Kyjiw feiert sie die Vielsprachigkeit, den ungeheuren Reichtum der Übersetzungskulturen weltweit und die präzise und zugleich überbordende Fantasie der Übersetzer:innen, ohne die die Begegnungen und der Austausch mit anderen Kulturen unmöglich wären.
Das Festival richtet die Aufmerksamkeit in diesem Jahr auf Sprachen und Literaturen, die wegen ihrer vermeintlichen Randständigkeit oft aus dem Blick geraten oder in der deutschen Übersetzung lange stumm blieben, so wie das Jiddische, das als ausgestorben verkannt wird. Zudem werden Übersetzer:innen ihren Auftritt haben, die jenseits der Grenzen Europas wirken, etwa aus Brasilien oder Indonesien, und Literatur nicht nur ins Deutsche, sondern auch in andere Sprachen, etwa die vielfältigen afrikanischen übertragen. Denn auch die Welt der Übersetzung ist immer noch nach geopolitischen Parametern geordnet, die einen Großteil des Anderssprachlichen ausklammern. Dabei gibt es so viel zu entdecken!
Besonders erfreulich ist die Kooperation mit dem ukrainischen Literatur- und Übersetzungsfestival TRANSLATORIUM, das in diesem Jahr nicht wie sonst Anfang Oktober in Khmelnytskyj stattfinden kann. Nun präsentiert das ukrainische Team zum Auftakt der translationale berlin Poesie in Zeiten des Krieges und ein nach dem Roman Amadoka von Sofia Andruchowytsch komponiertes Konzert.
Übersetzer:innen sind die Expert:innen sprachlicher Metamorphose, sie lassen Fremdes im Eigenen erklingen, begeben sich tief in die Nuancen der literarischen Texte und lassen sie in ihren Sprachen leuchten. Sie wandeln als glorious bastards, glorreiche Zwischenwesen zwischen den Welten, mischen Überliefertes mit Neuem, schaffen hybride Sprachgebilde und gestalten Literatur mit eigener poetischer Kraft. Meist arbeiten sie im Verborgenen und stehen doch hin und wieder auch gern selbst im Rampenlicht. Einen Tusch also: translators on stage!
Die translationale berlin 2022 wird gefördert durch den Deutschen Übersetzerfonds aus den Mitteln von Neustart Kultur.
Hier gibt es das gesamte Programm im Überblick.
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Veranstaltungen mit Ungarn-Bezug:
30.09., 18:00 Uhr bis 03.10., 17:00 Uhr
Rauminstallation zu den Cities of Translators Budapest, Kyjiw und Minsk
»Cities of translators« des TOLEDO-Programms lädt zur Entdeckung kulturell wie literarisch markanter Metropolen der Welt als Übersetzungsräumen ein. Als Lebens- und Arbeitsorte der Übersetzer:innen werden sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven erkundet. Übersetzer, Autorinnen, Journalisten und Grenzgängerinnen anderer Gattungen fragen bei ihrer Erkundung der »Cities of translators« nach dem Wo und Wie, den Schauplätzen und Protagonisten der Übersetzungskultur. Wie prägen Übersetzerinnen eine Stadt? Welche Rolle spielt umgekehrt die Stadt für den Übersetzer in seiner Arbeit? Welche Übersetzungsgeschichte(n) erzählt eine Stadt? Wo werden neue urbane Ausdrucksformen der Übersetzung sichtbar? Bei den Expeditionen entstehen Kartografien der Übersetzerszenen – als mehrstimmige Collagen aus Texten, Bildern, Videos und Audioaufnahmen. »Cities of translators« macht Übersetzer:innen als Akteur:innen im Austausch der Kulturen auf eine neue Weise sichtbar, fördert unerzählte Geschichten zu Tage und vernetzt die unterschiedlichen Szenen weltweit.
Die Reihe »Cities of translators« des TOLEDO-Programms wurde gefördert durch das Auswärtige Amt und enstand in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin.
1. Oktober, 13:00-14:15 Uhr
Franz Fühmann, Übersetzer ungarischer Lyrik
Franz Fühmann war nicht nur ein bedeutender Autor, er übertrug auch Lyrik aus dem Ungarischen und machte sich einen Namen als Nachdichter. Ihm und Paul Kárpáti mit dessen Hilfe er anhand von Interlinearübersetzungen ungarische Gedichte u.a. von Endre Ady, Attila József, Ágnes Nemes Nagy sowie Miklós Radnóti und Milán Füst ins Deutsche „über-setzte”, verdankte die ungarische Poesie zu DDR-Zeiten eine breite Rezeption im gesamten deutschen Sprachraum.
In der vom Collegium Hungaricum initiierten Veranstaltung zu Fühmanns Berufung als Nachdichter aus dem Ungarischen beleuchten Orsolya Kalász, Monika Rinck, Christian Filips und Theresia Prammer verschiedene Verfahren von Nachdichtung und kollektiver Lyrikübersetzung.
Mit: Orsolya Kalász, Monika Rinck, Christian Filips und Theresia Prammer. Moderation: Gregor Dotzauer
3. Oktober, 14:30-16:00 Uhr
Inselbewohner:innen – City of Translators Budapest
2021 und 2022 begab sich TOLEDO mit der Reihe Cities of Translators nach Budapest. Mit Videos, Interviews, Essays, einer interaktiven Karte, Fotos und Podcast-Folgen erkundete TOLEDO, zusammen mit den Kuratorinnen Lídia Nádori, Orsolya Kalász und Kata Veress, die Cafés und Arbeitszimmer ungarischer Übersetzer:innen, um herauszufinden, warum das Übersetzen eine so herausragende Rolle in der ungarischen Kultur spielt. Zwei namhafte Persönlichkeiten aus Ungarn kommen heute miteinander ins Gespräch, deren Lebenswege und Schaffen bei allen Verschiedenheiten wichtige Gemeinsamkeiten aufweisen. Sie erleben, forschen und beschreiben Isolation in der Sprache und in der Kultur.
Mit: Gábor Csordás und Melinda Rézműves; Moderation: Lídia Nádori Musik: János Bujdosó